Zwei Sonnen
Ein persönlicher Erfahrungsbericht über unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung, über Bindung, Wahrheit, Recht haben wollen und innere Freiheit
1. Die Nachbarin und der Müll – mein Ordnungsfeld
Es begann mit einem einfachen Anlass: Meine Nachbarin macht seit Jahren keine Kehrwoche. Beim letzten Mal war ich so wütend, dass ich ihre Arbeit wieder mitmachen musste, dass sich in mir ein innerer Prozess in Bewegung setzte. Ich erkannte, dass ich meinen Ärger oft mit dem Wort „man“ legitimiere – und so meine subjektive Empfindung in eine kollektive Ordnung kleide. Am Ende stand ein Satz, der mir sehr geholfen hat:
„Ich bin nicht da, um andere zu verbessern, sondern um mein Feld klar zu halten – in Würde, nicht in Trotz.“
2. Corona und das Bedürfnis zu lieben ohne zuzustimmen
Die Zeit der Pandemie hat mich tief erschüttert. Alle meine Freunde ließen sich impfen – ich nicht. Weil mein Körper, mein inneres System „Nein“ sagte. Ich schwieg oft aus Angst, andere zu verunsichern. Und genau das war der Schmerz: nicht ausgeschlossen zu sein, sondern mich nicht ganz zeigen zu dürfen, ohne Beziehung zu gefährden.
Ich erkannte:
„Ich muss nicht zustimmen, um zu lieben.“
3. Der Kampf ums Recht – und der Wunsch, gesehen zu werden
Ein Teil in mir wollte immer noch „Recht haben“. Er kämpft. Und ich habe verstanden, dass dieser Teil nicht böse ist – sondern aus einer tiefen Not kommt:
„Wenn ich das Recht haben aufgebe, verliere ich mich selbst.“
Dieser Kampf war kein Machtspiel – sondern ein Versuch, meinen Wert zu sichern.
Und ich habe begonnen, innerlich zu mir zu sagen:
„Ich werde dich halten – bis du spürst, dass dein Wert auch ohne Beweis besteht.“
4. Gedanken als Frequenzen – meine Verantwortung im Unsichtbaren
Ich begann zu verstehen, dass auch meine Gedanken Wirkung haben – selbst unausgesprochene. Dass meine stillen Bewertungen und Sorgen spürbar sind, als feine Reibung im gemeinsamen Feld. Das war schmerzhaft – aber auch befreiend. Denn es zeigte mir:
“Es ist heilsamer, Verantwortung für meine eigene Schwingung zu übernehmen, als andere verändern zu wollen.”
5. Das Mutterfeld – zwei Wollknäuel, zwei Reaktionen
Nach einer Sitzung mit einer Freundin kam plötzlich ein inneres Bild: ein fester Wollknäuel- und ein loser, aufgelöster, der sich um mich gelegt hatte. Ich spürte: der lockere Faden war das ungehaltene, ungeordnete Feld meiner Mutter. Der feste war ich – in Spannung, in Rückzug, in Ablehnung.
Ich erkannte:
Wir haben uns gegenseitig verstärkt – sie in ihrer Unverankertheit, ich in meinem Rückzug.
Und ich konnte das Bild innerlich lösen. Der Satz war:
„Ich lasse dich zurück in dein eigenes Zentrum. Ich muss dich nicht halten – und ich lasse mich selbst wieder ganz werden.“
6. Zwei Sonnen – zwei Welten
Am Morgen habe ich ein Bild aus einem YouTube-Video gesehen: Zwei Menschen schauen gemeinsam in den Horizont – dort gehen zwei Sonnen auf. Dieses Bild hat alles in mir beruhigt:
„Ich sehe dich in deiner Welt. Und ich bleibe in meiner. Wir müssen uns nicht mehr einig sein – und können gleichzeitig unter zwei Sonnen zu stehen.“
Ich konnte das erste Mal innerlich zu meiner Mutter sagen:
„Wir lebten in unterschiedlichen Welten. Und ich kann die Unterschiede halten.“
Mit diesem Satz endet für mich der Kampf um Zustimmung.
Und es beginnt eine neue Freiheit.